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Miguel Gamboa: Politische Theorie und Gewalt. Wege aus dem kolumbianischen Labyrinth. Aachen: Shaker, 2002. 280 Seiten ISBN 3-8322-0132-7 ![]() Shaker Verlag: ![]() |
Der in Wien lehrende kolumbianische Politikwissenschaftler und Philosoph Miguel Gamboa analysiert im vorliegenden Band die politikwissenschaftlichen Beiträge der Zeitschrift Análisis Político, die in Bogotá am Institut für Politische Studien und Internationale Beziehungen (IEPRI) der Universidad Nacional de Colombia erscheint. Die Analyse umfasst den Zeitraum von 1987, dem ersten Erscheinungsjahr der Zeitschrift, bis 1995. Sie beschäftigt sich mit den theoretischen Ansätzen, die verschiedene Beiträge in die kolumbianische, aber auch internationale Debatte einbringen. Damit soll ein Reflexionsprozess über sozialwissenschaftliche Themen fortgeführt werden und die akademischen Debatten in der so genannten Peripherie der modernen Welt – in diesem Fall Kolumbien – ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden. Dies ist ein mehr als löblicher Vorsatz, wenn man sich die Praxis der Selbstbespiegelung und Selbstverliebtheit der (west)europäischen und angelsächsischen akademischen Szenen ins Gedächtnis ruft. Einer der interessanten Aspekte von Análisis Político ist die Tatsache, dass es der Zeitschrift gelungen ist, ein Forum für akademische Debatten anzubieten, das über einen engen kolumbianischen Kontext hinausgeht und zumindest eine regionale Bedeutung erlangt hat. Das hat mit den internationalen Beziehungen und dem hervorragenden Ruf des IEPRI ebenso zu tun wie mit der kontinuierlichen Pflege der Reihe, die nun schon seit über 15 Jahren regelmäßig drei Mal im Jahr erscheint. Gamboa gliedert sein Thema in drei Bereiche: »Die Sozialen Bewegungen und Proteste«, »Die politische Gewalt« und »Das politische System«. Vom gesamten Ausgangsmaterial der in Rubriken gegliederten Zeitschrift werden im Buch 35 von 93 Artikeln tiefergehend behandelt, die unter »Demokratie« und »Studien« erschienen. Dies entspricht nicht nur einer quantitativen Beschränkung, sondern es wurden auch Rubriken, die »Geschichte« oder »Wirtschaftspolitik« behandeln, weggelassen. Diese Auslassungen, die gut spezifiziert sind, machen das Werk übersichtlicher und eröffnen noch immer eine sehr breite Perspektive auf die verbleibenden Themen. Inhaltlich handelt es sich um scharfsinnige Analysen der theoretischen Positionen von 23 Autoren und vier Autorinnen. Die enzyklopädische Vorgangsweise, jedem Autor bzw. jedem Artikel je ein Unterkapitel zu widmen, wirft die Frage auf, inwieweit sich die einzelnen Beiträge nicht nur grob thematisch, sondern auch von ihrer inhaltlichen Logik anordnen ließen. Wenn man nun Gamboa folgt und außer vereinzelten Bezügen keine breiteren Querverbindungen oder gar übergeordnete »Schulen« erkennt, kommt man zum Schluss, dass Analísis Pólitico ein sehr offenes Forum darstellt, das jeglicher Bunkermentalität entbehrt. Andererseits könnte man dieses weite Spektrum auch mit der Lage der Zeitschrift – im weltweiten Maßstab – am Rand des akademischen Feldes erklären. Hier können verschiedene Zugänge zum weltweiten sozialwissenschaftlichen Mainstream hergestellt oder überhaupt neue Ideen ausprobiert werden. Somit wäre der scheinbare Mangel an Kohärenz der unterschiedlichen Beiträge bloß ein Ausdruck eines Reichtums an theoretischen Ansätzen, der in Westeuropa oder Nordamerika – zumal in einer einzigen Publikationsreihe – kaum denkbar wäre. Bei dem Buch handelt es sich auch um einen engagierten Versuch, aus der politischen Sackgasse, in der sich Kolumbien befindet, einen Ausweg zu finden. Der vorliegende Text erzeugt zur unmittelbaren politischen Realität Distanz, indem er die politik-wissenschaftliche Theorie nochmals meta-wissenschaftlich betrachtet. Diese Vorgehensweise mag um so berechtigter sein, als die unmittelbaren Zugänge sich bislang immer wieder im kolumbianischen Labyrinth der Gewalt verlaufen haben. Abschließend ist zu bemerken, dass editorische Nachlässigkeiten das Lesevergnügen trüben. Dies geht stellenweise soweit, dass der Leserin bzw. dem Leser der genaue Sinn nicht völlig erschließbar ist. Davon sollten sich Wissbegierige nicht abhalten lassen, etwas von den kolumbianischen intellektuellen Debatten zu Gewalt, zu ihren Ursachen, ihren Folgen und Lösungsansätzen zu ihrer Beseitigung zu lernen. |
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