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Raúl Fornet-Betancourt (Hg.): Theorie und Praxis der Demokratie in den Kulturen. Dokumentation des IX. Internationalen Seminars des Dialogprogramms Nord-Süd. Frankfurt: IKO, 2003. (Denktraditionen im Dialog: Studien zur Befreiung und Interkulturalität 16) 244 Seiten ISBN 3-88939-678-X ![]() Verlag für Interkulturelle Kommunikation: ![]() |
Das neunte Seminar des philosophischen Dialogprogramms Nord-Süd fand im März 2002 in Mexiko statt und hat entsprechend einen Schwerpunkt mit lateinamerikanischen Autoren, ist aber keineswegs auf Lateinamerika beschränkt. Das Thema »Theorie und Praxis der Demokratie der Kulturen« ist sehr breit gefasst und wird beiden Aspekten gerecht: Die vorliegende Dokumentation zur Tagung umfasst einerseits ausgesprochen theoretische Beiträge zur Begründung interkultureller Normen und Werte wie der Menschenrechte oder der Gerechtigkeit, kritische Auseinandersetzung mit Geistestraditionen der Länder, in denen die Demokratie etabliert ist, als auch Beiträge zur politischen Philosophie sowie zu Prozessen der Demokratisierung und demokratischen Potentiale der Länder des Südens. Der im Titel angesprochene Kulturbegriff ist allerdings etwas irreführend – denn es geht berechtigterweise weniger um Kulturen als um Gesellschaften. Dies wird etwa am Beitrag von Carlos Cullen über Demokratisierungspotentiale in Argentinien deutlich. Diese sieht er in der Geschichte und Tradition des öffentlichen Bildungswesens in Argentinien; der Kampf um die Etablierung dieses Bildungswesens sei paradigmatisch für demokratische Potentiale der argentinischen Gesellschaft. Einen vergleichbaren Fokus auf demokratische Traditionen oder Entwicklungen in Afrika und Asien haben die Beiträge von Georges Labika, Jean-Adalbert Nyeme Tese, Edward Demenchonok und Sang-Bong Kim. Dabei werden heikle Themen nicht ausgegrenzt, wie Carmen Bohórquez' Beitrag über die aktuelle Entwicklung in Venezuela zeigt. Einen theoretischen Impuls aus der Praxis heraus bietet der Beitrag von Luis Villoro. Er beschreibt die Ausgrenzungsmechanismen der repräsentativen Demokratie westlicher Provenienz in Mexiko und die Inklusionsverfahren indigener Gemeinschaften, die er als ein theoretisches Modell kommunitärer Demokratie interpretiert. Dies führt er weiter bzw. ergänzt er um ein Konzept republikanischer Demokratie und stellt dieses als Modell für Gesellschaften mit starker ethnischer und sozialer Differenzierung dar. Interessanterweise beruft sich Villoro sowohl auf europäische als auch auf indigene indianische Modelle. Die spannungsreichen Tendenzen innerhalb der europäischen Tradition thematisiert Hans Schelkshorn in seinem Beitrag zum Freiheitsverständnis moderner Demokratien, wo Foucaults folgenreiche Erkenntnisse über das Ineinander von Souveränität und Selbstbegrenzung für eine interkulturelle Perspektive fruchtbar gemacht werden. Wie über Rawls und Rorty hinausgehend eine philosophische Grundlegung interkulturell übergreifender Werte wie Gerechtigkeit und Demokratie geleistet werden, zeigt Karl-Otto Apel in seinem Beitrag. Dass es auf internationaler Ebene nicht nur um theoretische Begründungsstrategien geht, sondern auch um philosophische Antworten auf Macht und Gewalt, wird in den globalisierungskritischen Beiträgen von Franz Hinkelammert und Enrique Dussel deutlich. Zwar fehlen in dem Band eine Gesamtschau oder ein verbindender Beitrag, aber durch die Komposition und die abschließende Zusammenfassung von Fidel Tubino wird er doch dem Anspruch gerecht, einen Beitrag zur interkulturellen Gestaltung der Demokratie, aber ebenso zur Entprivatisierung der westlichen Demokratie zu leisten. |
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