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Mădălina Diaconu

Ästhetik in Ost und West

Zu Rolf Elberfeld & Günter Wohlfart (Hg.): Komparative Ästhetik. Künste und ästhetische Erfahrungen zwischen Asien und Europa

Rolf Elberfeld /
Günter Wohlfart (Hg.):
Komparative Ästhetik. Künste und ästhetische Erfahrungen zwischen Asien und Europa.
Köln: chōra, 2000.
(Reihe für asiatische und komparative Philosophie 3)
408 Seiten
ISBN 3-934977-03-0
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edition chōra:
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1 Der von Rolf Elberfeld und Günter Wohlfahrt herausgegebene Band Komparative Ästhetik sammelt die 1999 bei der Tagung der Académie du Midi Ästhetik – Ost und West in Alet-les-Bains (Frankreich) gehaltenen Vorträge und ihre bearbeitete Fassungen. Unter komparativer Ästhetik haben die Herausgeber eigentlich – wie es die Einführung von Rolf Elberfelds deutlich macht – eine interkulturelle Ästhetik verstanden, auch wenn einzelne Autoren auf den weiteren Rahmen einer allgemeinen komparativen Ästhetik Bezug nehmen (Eberhard Ortland) und das Verhältnis zwischen der komparativen und der interkulturellen Ästhetik als ein Begründungsverhältnis andeuten (Ram Adhar Mall). Infolge dieser Interpretation der komparativen Ästhetik entstammen auch die meisten Autoren der Philosophie, Ästhetik und Orientalistik, aus dem Westen oder aus Ostasien. Von besonderem Interesse in einer ästhetisch-philosophischen Perspektive sind die den Begriff der komparativen Ästhetik grundlegenden Studien Elberfelds, Malls und Ortlands.

Grundlegung einer komparativen Ästhetik

2 In seinem programmatischen Aufsatz "Komparative Ästhetik. Eine Hinführung" sucht Rolf Elberfeld den möglichen gemeinsamen Gegenstand der Ästhetik als europäischer Disziplin und ihrer entsprechenden ostasiatischen Theorien (manche von ihnen elaboriert unter europäischem Einfluss): die Schönheit, die Vielfalt des Ästhetischen, die jeweilige Verwirklichung eines dynamischen Kunstbegriffs, das Kunstschaffen und die Sinnlichkeit. Die komparative Ästhetik zeichnet sich innerhalb der allgemeinen Ästhetik durch die in allen diesen Bereichen unternommenen Vergleiche (hauptsächlich zwischen Europa und dem Fernosten) ab. Schließlich wird die systematische Betrachtung durch eine historische ergänzt, in der die wichtigsten Beiträge der komparativen Ästhetik im 20. Jahrhundert zusammengefasst werden.
3 Strukturell und teilweise inhaltlich ähnlich ist der Aufsatz Eberhard Ortlands "Über Gegenstände, Methoden und Voraussetzungen komparativer Ästhetik". Der Autor betont zunächst die Notwendigkeit des Dialogs aufgrund der irreduziblen Pluralität des Ästhetischen und seiner Theorien. Insofern jedoch jedes ästhetische Verhalten eine Wahl und folglich einen Vergleich voraussetzt, erweist sich eine Einschränkung der Gegenstände und der Fragestellungen einer komparativen Ästhetik als unerlässlich; diese werden dann in einer ausführlichen Übersicht systematisiert.
4 In seinem Aufsatz "Aesthetics in an Intercultural Perspective. Towards the Concept of an Intercultural Aesthetics" nimmt Ram Adhar Mall hauptsächlich Gedanken wieder auf, die aus seinen früheren Büchern zur interkulturellen Philosophie bekannt sind, so wie zum Ethos der Interkulturalität, zu einer offenen und analogen Hermeneutik und zur Dialektik der Orthaftigkeit und Ortlosigkeit. Im Hinblick auf die Ästhetik von besonderer Bedeutung ist eine Gegenüberstellung des europäischen und des chinesischen Verhältnisses zwischen Mensch und Natur.

Theoretische und historische Annäherungen

Rolf Elberfeld:
"Komparative Philosophie".
In: Information Philosophie 4 (2000).
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Günter Wohlfart:
"Das offene Weltmeer des Denkens und der germanozentrische Brunnenfrosch. Wider den philosophischen Lokalpatriotismus".
In: polylog 1 (2000).
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5 Nicht nur inhaltlich – die konkreten Untersuchungen beschränken sich auf Indien, China, Japan und Westeuropa –, sondern auch strukturell – die Beiträge werden in theoretisch-grundlegende und hermeneutisch-kulturhistorische eingeteilt und die letzteren dann »geographisch« gruppiert – ist der Band Komparative Ästhetik typisch für interkulturelle Studien. Die unterschiedlichen Themen seiner Aufsätze lassen sich hier leider nur kurz aufzählen. Sie behandeln die logischen Grundlagen der europäischen Ästhetik (Josef Simon) und die im Begriff Vicos von der scienza nuova enthaltenen Möglichkeiten, die Ästhetik als Regionaldisziplin zu überwinden (Johann Kreuzer), die indische Ästhetik als Widerpart zur dualen europäischen Ästhetik des Subjektes und des Objektes (Annakutty V.K. Findeis, Grazia Marchianò), die Dinge und das Unsichtbare in der Haiku-Dichtung und beim späten Heidegger (Ute Guzzoni), das Kunstschaffen als Selbstverwirklichung des Kunstwerks (Günter Wohlfart), die Leere und das Prinzip der paradoxen Verträglichkeit der Leere und der Fülle (Wolfgang Kubin, Peter Pörtner) sowie den Schatten in der japanischen Kunst (Nobuyuki Kobayashi).
6 Weiterhin kommen folgende Themen zur Sprache: die Durchführbarkeit einer Ästhetik der Handlungen anhand eines Vergleichs zwischen der europäischen Romantik und den Theorien des actus purus und des acte gratuite einerseits und der Handlung als Vollzug eingeübter Spontaneität im Daoismus und im Zen andererseits (Jens Schlieter), die Ästhetik des Tanzes (Helmut Maaßen zum Tanz Śivas und Shigeto Nuki zu Butō), das Komische (Heinrich Geiger zum Lachen in der chinesischen Kunst), die synästhetische bzw. pure ästhetische Wahrnehmung (Mathias Obert zur bildhaften Sprache in chinesischen Gedichten, Monika Betzler zur Auseinandersetzung zwischen Nelson Goodman und Arthur Danto um die Möglichkeit der prinzipiellen visuellen Unterscheidbarkeit der Kunstwerke), die japanische Gartenkunst (Graham Parkes zu den Steinen und Sonja Servomaa zum Motiv der Pinie) und das Bild Chinas in der neuen französischen Literatur (Lucie Bernier).
7 Eine spezielle Erwähnung verdient der Anhang, in dem Rolf Elberfeld, Eberhard Ortland, Jens Schlieter und Heinrich Geiger eine Auswahl der Fachliteratur zur komparativen und interkulturellen Ästhetik wie auch zur indischen, chinesischen und japanischen Ästhetik aufgelistet haben.
polylog. Forum für interkulturelle Philosophie 4 (2003).
Online: http://lit.polylog.org/3/rdm-de.htm
ISSN 1616-2943
Autorin: Mădălina Diaconu, Wien (Österreich)
© 2003 Autorin & polylog e.V.
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