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Karori Mbugua

Spruchweisheit und Philosophie

Zu Gerald Joseph Wanjohi: The Wisdom and Philosophy of the Gîkûyû Proverbs: The Kîhooto World-view



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Gerald Joseph Wanjohi:
The Wisdom and Philosophy of the Gîkûyû Proverbs: The Kîhooto World-view.
Nairobi: Paulines Publications Africa,
1997.
271 Seiten
ISBN 9966-21-286-8

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  The Wisdom and Philosophy of The Gîkûyû Proverbs ist ein wichtiger Beitrag zu der rasch wachsenden afrikanischen Philosophie, die in ihrer schriftlichen Form einen vergleichsweise jungen Zweig der Philosophie darstellt. Der Buchtitel verspricht nicht nur eine hermeneutische Studie der den Gîkûyû-Sprichwörten zugrundeliegenden Philosophie, sondern auch der Philosophie des Gîkûyû-Volkes.

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  Um deren Weltsicht zu deuten, verfolgt Wanjohi zuerst die Herkunft der Gikuyu und beschreibt deren geographische Situierung sowie deren sozio-ökonomisches Verhalten. Danach erst analysiert er die Struktur der Gîkûyû-Sprichwörter. Er hebt hervor, daß Gîkûyû-Sprichwörter die Wirklichkeit in gegensätzlichen Aussagen abbilden. Während ein Spruch etwas positiv kennzeichnet, erscheint es durch einen anderen negativ. Wanjohi vergleicht diese Dialektik mit der Hegels, merkt allerdings an, daß die Hegelsche Dialektik – mit These, Antithese und Synthese – ganz klar drei Momente unterscheidet, während die den Gîkûyû-Sprichwörten implizite Synthese nicht explizit artikuliert wird.



 Kîhooto


 

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  Der Autor sieht in dem Begriff kîhooto oder Vernunft die gegensätzlichen Sichtweisen der Gîkûyû-Sprichwörter versöhnt. Durch Vernunft könne eine vermittelnde Position erreicht werden. Der Begriff kîhooto scheint aus zwei Komponenten zu bestehen: einer epistemologischen (Vernunft) und einer ethischen (Recht, Gerechtigkeit, Unparteilichkeit und Fairneß). Wanjohi selbst definiert kîhooto als das, was »logisch, erkenntnistheoretisch und ethisch überzeugt« (49).



 Versuche zur Rechtfertigung der Ethnophilosophie


Der Begriff kîhooto scheint aus zwei Komponenten zu bestehen; einer epistemologischen (Vernunft) und einer ethischen (Recht, Gerechtigkeit, Unparteilichkeit und Fairneß). Wanjohi selbst definiert kîhooto als das, was »logisch, erkenntnistheoretisch und ethisch überzeugt.« (49).

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  Um den Gehalt der Sprichwörter zu erhellen, widmet Wanjohi ein ganzes Kapitel dem Vergleich mit anderen sprachlichen Ausdrucksformen wie dem Gleichnis, der Ironie und der Metapher.

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  Er versucht eine Rechtfertigung der Ethnophilosophie, in dem er sich gegen den Vorschlag von E.A. Ruch wendet, der meinte, die afrikanische Philosophie müsse sich in einer gefühlsgetragenen Sprache artikulieren. Wanjohi hält dagegen, daß afrikanische Philosophie nicht etwas jenseits von anderen Philosophien sein sollte. Diese Art von Exklusivität sei der Kultur vorbehalten. Die Gefechte der Philosophie seien jedenfalls auf dem Feld der Vernunft auszutragen.

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  Kritisch steht Wanjohi auch der Behauptung Paulin Hountondjis gegenüber, wonach Nicht-Afrikaner nichts zur afrikanischen Philosophie beitragen könnten.



 Gîkûyû-Sprichwörter als Ethnophilosophie?



Die Philosophie der Gîkûyû-Sprichwörter kann als Ethnophilosopie im nicht-pejorativen Sinne beschrieben werden. Wanjohi kann überzeugend argumentieren, daß Gîkûyû-Sprichwörter reflektiert und kritisch sind und daher dem Kriterium der Philosophie als einer Aktivität zweiter Ordnung genügen.

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  Wanjohi gelingt es zu zeigen, daß die Philosophie der Gîkûyû-Sprichwörter als Ethnophilosopie im nicht-pejorativen Sinne beschrieben werden kann. Er kann überzeugend argumentieren, daß Gîkûyû-Sprichwörter reflektiert und kritisch sind und daher dem Kriterium der Philosophie als einer Aktivität zweiter Ordnung genügen. Während gewöhnliche Aussagen in der Sprache der Gegenstände artikuliert werden, bilden Sprichwörter eine Metasprache. Wanjohi beeilt sich allerdings hinzuzufügen, daß – wie etwa im Falle der sage philosophy – nur ein gelernter Philosoph sagen könne, welche der vielen kulturellen Überzeugungen eines Volkes "philosophisch" seien.

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  Dem Argument, daß Sprichwörter Gemeingut seien, hält Wanjohi entgegen, daß diese ursprünglich von einen intelligenten Individuum ausgegangen sein müssen. Er präsentiert eine Reihe von epistemologischen, ethischen und metaphysischen Sprüchen, unterzieht jeden einzelnen einer kritischen Auswertung und untersucht zudem eine Anzahl von Sprichwörtern aus dem Bereich der angewandten Philosophie, der Religion, der Erziehung und des Regierens.

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  Ein kurzer Überblick wird dem Reichtum des Buches allerdings nicht gerecht. Es gibt viele interessante Anmerkungen Wanjohis, die die Relevanz der Gîkûyû-Sprichwörter hinsichtlich der gegenwärtigen individuellen, sozialen, ethnischen und nationalen Konflikte hervorheben. Er bemerkt, daß sich viele Sprichwörter auf Frieden beziehen und daß sie genutzt werden könnten, um diesen zu fördern.



 Mängel und Fehler


Eine Kuh wird erst für ihre Milch gelobt, wenn sie tot ist.

Gîkûyû-Sprichwort

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  Indessen ist das Buch nicht ohne Fehler. Die Hintergrundinformation im ersten Kapitel geht für eine philosophische Arbeit zu sehr ins Detail. Warum präsentiert der Autor beispielsweise einen ganzen Katalog von Büchern in Gîkûyû, von welchen einige gar nichts zum Verständnis der Gîkûyû-Weltsicht beitragen? Dem aufmerksamen Leser wird hier ein Anflug von Chauvinismus nicht entgehen.

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  Man hätte dagegen genauere Analysen der Struktur der Sprichwörter, vor allem von deren Funktion in alltäglichen Diskursen erwartet. Es soll auch nicht verschwiegen werden, daß in einigen Sprichwörtern ganz offen eine Voreingenommenheit gegen Frauen zum Ausdruck kommt. Wie kann der Autor diese Tatsache mit dem Prinzip kîhooto vereinbaren, dem er eine zentrale Rolle in den Sprichwörtern und der gesamten Gîkûyû-Weltsicht einräumt?

Karori Mbugua ist Doktorand und Lektor am Philosophie-Department der University of Nairobi. Er erhielt einen MSc in Philosophie an der London School of Economics (LSE), University of London.

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  Weiters ist die Übersetzung einiger Sprichwörter ins Englische nicht ganz treffend. Das Sprichwort »Îganagwo yaarî iria yakua.« auf Seite 87, sollte beispielsweise – da auf eine zweite Kuh kein Bezug genommen wird – korrekt übersetzt lauten: Eine Kuh wird erst für ihre Milch gelobt, wenn sie tot ist. Und nicht: Eine Kuh wird erst für ihre Milch gelobt, wenn ihre Rivalin tot ist.

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  Das Buch enthält außerdem eine Reihe von typographischen Fehlern – vor allem bei der Buchstabierung von Gîkûyû-Worten –, die aber wohl darauf zurückzuführen sind, daß es sich hier um die erste Auflage handelt.

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  Wenn man schließlich bedenkt, daß der Autor einige wichtige Anmerkungen zu methodologischen Fragen der afrikanische Philosophie macht, hätte man auch einen Kommentar zu den wichtigsten Arbeiten der führenden afrikanischen Philosophen wie Claude Sumner, Kwasi Wiredu, Dismas A. Masolo, John Mbiti und V.Y. Mudimbe erwarten können.

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  Trotz dieser Mängel ist es ein erfrischendes und herausforderndes Buch. Die Argumente sind klar und prägnant vorgetragen. Als philosophische Interpretation der Gîkûyû-Sprichwörter ist das vorliegende Buch für Lehrer und Studenten der Afrikanischen Philosophie unverzichtbar und im weiten Spektrum der interkulturellen Philosophie eine brauchbare Anregung.



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